Bis 1933
Gruber und die Hitler-Jugend (HJ) wurden kurze Zeit nach dem Weimarer Parteitag (4. Juli 1926) den obersten SA-Führern (Führer der Sturmabteilung) unterstellt. Angeblich soll die HJ von Hitler als eine Art von Jugendabteilung der SA, der Sturmabteilung, die als Hitlers Privatarmee diente, angesehen worden sein. Ende 1926 wurde von der NSDAP beschlossen, dass alle Mitglieder der HJ, die 18 Jahre alt wurden, in die SA überzutreten hätten. Diese Anweisung dürfte einer der Hauptgründe für die im Vergleich zu anderen nationalsozialistischen Vorfeldorganisationen relativ geringe politische Bedeutung der HJ bis 1933 gewesen sein. So war die HJ gezwungen den Großteil ihrer erfahrenen Kader und Aktivisten an die SA abzutreten und war daher im Vergleich zu anderen Jugendorganisationen wie dem kommunistischen KJVD nur eingeschränkt zu eigenständiger politischer Arbeit fähig und für den Straßenkampf kaum zu gebrauchen. So blieb die HJ bis zur Machtübertragung an die Nationalsozialisten weitestgehend ein Anhängsel der Sturmabteilung. Dies führte auch zum Beschluss, mehr Gewicht auf Jugendarbeiten wie Heimatabende und Fahrten zu legen. Zu dieser Zeit entstanden die ersten NSDAP-Schülergruppen. Diese wurden vereinigt und bekamen den Namen NS-Schülerbund. Theodor Adrian von Renteln, ein nationalsozialistischer Funktionär und Politiker, leitete den NS-Schülerbund. Gleichzeitig wurde der Bund Deutscher Mädel gegründet.
Am Parteitag der NSDAP 1926 marschierten immerhin schon rund 2.000 Jugendliche an Hitler vorbei. Davon waren etwa die Hälfte Österreicher. 1931 trat Gruber als Reichsführer der HJ zurück. Im Herbst 1931 wurde Baldur von Schirach von Adolf Hitler zum Reichsjugendführer der NSDAP (im Range eines SA-Gruppenführers) ernannt und führte die HJ, den NS-Studentenbund (Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund) und den NS-Schülerbund. Am 13. April 1932 wurde die HJ durch das Verbot und die Verfolgung der SA betroffen und ebenfalls verboten. Dies galt jedoch nur für eine kurze Zeit. Die HJ arbeitete illegal weiter und Schirach schrieb, dass die HJ in dieser Zeit ihre besten Leute gewonnen habe. Die Zahl der Mitglieder wuchs in dieser Zeit auf zirka 35.000 an.
Am 1. und 2. Oktober 1932, dem Reichsjugendtag der HJ in Potsdam, marschierte die Teilnehmerkolonne der etwa 80.000 Jugendlichen mehr als sieben Stunden an Adolf Hitler vorbei. Das wies auf eine nicht zu übersehende Rolle im öffentlichen und politischen Leben Deutschlands hin. Die HJ wurde sehr stark für den Wahlkampf eingesetzt, wobei die HJ die NSDAP mit Demonstrationen und Propagandaaktionen tatkräftig unterstützte.
Das Jahr 1932 war für die HJ ein Jahr der Demonstrationen, Kundgebungen, Propagandaaktionen, Versammlungskampagnen und Märsche. Die HJ war vielmals die tragende Macht bei oben genannten Aktionen und wirkte bei fast allen mit. Bis 1933 starben 21 Angehörige der HJ bei politischen Auseinandersetzungen mit der Regierung oder politisch anders orientierten Organisationen.
Die Mitglieder der HJ setzten sich wie folgt zusammen:
69% Jungarbeiter und Lehrlinge
10% in kaufmännischen Berufen
12% Schüler
Der Rest waren Arbeitslose
Die allgemeine Not im Gefolge der Pariser Vorortverträge und während der Weltwirtschaftskrise veranlasste viele Zeitgenossen, die einzige Rettung von solchen Parteien zu erhoffen, die ein völlig anderes politisches System forderten. Das waren die NSDAP und die KPD. Die äußerst schlechten Zukunftsaussichten brachten auch den Jugendorganisationen der rechts- und links-radikalen Parteien Zulauf.
Die Abhängigkeit der HJ von der Partei im Politischen sowie im Organisatorischen ist unverkennbar. Die HJ betonte das auch immer wieder deutlich, wie beispielsweise eine Aussage von Arthur Axmann, zweiter Reichsjugendführer, belegt: „Die HJ ist gross geworden als Gliederung der Partei – sie hatte stets den gleichen Weg und das gleiche Schicksal.“
1933 bis 1939
Am 30. Januar 1933 übernahm die NSDAP in Deutschland die Macht. Damit bekam die HJ eine ganz neue Funktion. Diese wurde mit folgender Parole verkündet: „Die Kampfauslese der HJ muss nun zur Volksjugend werden.“
Weil die NSDAP jetzt die einzige erlaubte Partei in Deutschland war, wollte die HJ die einzige Jugendorganisation sein. Die Führung der HJ strebte danach, so viele Jungen und Mädchen wie möglich in die HJ zu bekommen. Gleichzeitig versuchte sie, in der HJ die Erziehungsfunktion zu übernehmen und Betätigungsmöglichkeiten wie Sport und Lager zu organisieren. Hans-Helmut Dietze schrieb: „Die HJ will sowohl die Gesamtheit der Jugend, wie auch den gesamten Lebensbereich des jungen Deutschen erfassen.“
Die NSDAP und somit Hitler selbst beschlossen, die gesamte Jugend zu erfassen, zu kontrollieren und nach dem nationalsozialistischen Gedankengut zu erziehen. Schirach beschloss sehr früh, einige Jugendverbände aus dem Reichsausschuss deutscher Jugendverbände auszuschliessen. Ein Jugendverband nach dem anderen wurde verboten, von der HJ übernommen oder trat selbstständig über. Dabei ist zu beobachten, dass rechte Organisationen viel länger überlebten als linke, katholische oder soziale Organisationen. Damit begann ein sehr großer Zuwachs von Jugendlichen bei der HJ. Auffallend ist, dass viele neue Mitglieder der HJ vorher kein Interesse gezeigt hatten, einer Jugendorganisation beizutreten. Es gab jedoch einige Jugendverbände, die nach Ansicht der HJ gefährlich waren. Es handelte sich dabei um konfessionelle Jugendverbände oder auch freie Jugendbewegungen, die sich als eigenständige Selbsterziehungsgemeinschaften sahen und sich aufgrund der Verbote im Grossdeutschen Bund zusammengeschlossen hatten. Da Schirach nicht genug Macht hatte um dieses Problem zu lösen, drängte er auf eine institutionelle Festigung seiner Machtposition. Er wurde am 17. Juni 1933 von Hitler zum Jugendführer des Deutschen Reiches ernannt. Damit hatte er die Aufsicht über alle Jugendorganisationen und jede Neugründung musste von ihm bewilligt werden. Zudem konnte er die Führung der jeweiligen Jugendorganisationen wählen, beziehungsweise abwählen. Damit war die gesamte Jugendarbeit in Deutschland unter der Kontrolle der HJ-Führung.
Das Erste, was Schirach in seiner neuen Machtposition unternahm, war, den Grossdeutschen Bund aufzulösen. Zur gleichen Zeit wurden auch die bündischen und freien Jugendbewegungen aufgelöst und verboten. Ende 1933 wurde die Evangelische Jugend Deutschlands (800'000 Mitglieder) formal von der HJ aufgenommen. Damit durfte die Jugendarbeit der evangelischen Kirche nur noch rein seelsorgerischer Natur sein. Nur wer auch HJ-Mitglied war, konnte in die evangelischen Jugendwerke aufgenommen werden.
Mit der katholischen Jugend sollte ebenso verfahren werden. Es gab jedoch energischen Widerstand von Seiten der Katholiken. Artikel 31 des Reichskonkordats gab ihnen einen gewissen Schutz. Schirach griff zu anderen Mitteln und führte Terrorakte und Propagandaaktionen gegen die katholische Jugend durch. Er ließ auch regionale Verbote aufstellen, wie zum Beispiel die Bestimmung, dass Kinder von Beamten nicht in der katholischen Jugend sein durften.
Damit stieg die Mitgliederzahl der HJ nochmals enorm. Ende 1932 verzeichnete die HJ eine Mitgliederzahl von 107.956 und Ende 1934 waren es bereits 3.577.565. Zwischen 1934 und 1937 kam es vorübergehend zur Einrichtung eines so genannten Staatsjugendtages, an dem für die Mitglieder der Hitler-Jugend anstelle von Schulunterricht HJ-Dienst stattfand. Nur die wenigen noch nicht organisierten Jugendlichen einer Schule mussten zum Unterricht erscheinen. Die HJ begann Sportwettkämpfe zu organisieren und es wurden Leistungsabzeichen geschaffen, die an der nun einheitlichen Uniform angebracht wurden. Die Uniform wurde vom Staat vorgeschrieben. Mit den dazugehörigen Abzeichen wurde eine starke Hierarchie eingeführt.
Am 1. Dezember 1936 veröffentlichte Hitler das Gesetz über die Hitler-Jugend:
„Von der Jugend hängt die Zukunft des deutschen Volkes ab. Die gesamte deutsche Jugend muss deshalb auf ihre zukünftigen Pflichten vorbereitet werden. Die Reichsregierung hat daher das Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
§ 1 Die gesamte deutsche Jugend ist in der Hitler-Jugend zusammengefasst.
§ 2 Die gesamte deutsche Jugend ist außer im Elternhaus und der Schule in der Hitler-Jugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus im Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.
§ 3 Die Aufgabe der Erziehung der gesamten deutschen Jugend in der Hitler-Jugend wird dem Reichsjugendführer der NSDAP übertragen. Er ist damit Jugendführer des Deutschen Reiches. Er hat die Stellung einer obersten Reichsbehörde mit dem Sitz in Berlin und ist dem Führer und Reichskanzler unmittelbar unterstellt.
§ 4 Die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften erlässt der Führer und Reichskanzler.
Berlin, den 1. Dezember 1936
Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei
Dr. Lammers“
Mit diesem Gesetz wurde die HJ die einzige und umfassende Institution der Jugenderziehung außer dem Elternhaus und der Schule und zum ersten Mal wurde klar ausgedrückt, wo die HJ stand. Sie umfasste die ganze deutsche Jugend. Diese Gesamtheit der deutschen Jugend wurde damit in der HJ mit nationalsozialistischem Gedankengut erzogen. Sie stand unter der Führung der NSDAP und somit unter der Führung Hitlers.
Die Jahre nach diesem Gesetz dienten vor allem der Festigung von Positionen und Systemen der HJ. Nachdem die Position gesichert und gefestigt war, konzentrierte sich die Führung der HJ auf die Gegner und die immer noch bestehenden Jugendgruppen. Am 18. Juni 1937 wurde die Doppelmitgliederschaft in der HJ und der katholischen Jugend verboten und ähnliche Maßnahmen wurden getroffen, um die katholische Jugend ganz auszuschalten. Bei der Besetzung von Österreich führte die HJ die in Österreich seit 1933 illegale österreichische HJ mit über 35.000 Mitgliedern der HJ zu. Damit betrug die Mitgliederzahl der HJ Ende 1938 insgesamt 8.700.000 Jungen und Mädchen.
Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 sind die Zahlen der Mitglieder in der HJ extrem stark gestiegen. Innerhalb eines Jahres stieg die Mitgliederzahl von 107.956 auf 2.3 Millionen. Nach der Bekanntgabe des Gesetzes über die HJ am 1. Dezember 1936 ließ der Zuwachs jedoch deutlich nach. Es ist eher eine Tendenz zu abfallenden Neuzugängerzahlen zu beobachten. Erst im darauf folgenden Jahr gab es wieder mehr Neuzugänger.
Die Angehörigen der HJ, Jungen und Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren, wurden für den Krieg vorbereitet. Sie mussten auf den Kartoffelfeldern mithelfen und gegen Ende des Krieges sogar an der Front kämpfen. Ab 1937 stand eine HJ-Schießschule zur Verfügung. 1.5 Millionen HJ-Jungen machten regelmäßig Schießdienst. Ab 1939 mussten Jungen Schieß- und Geländedienst leisten. Es gab zusätzlich eine Erweiterung in Sondereinheiten (1938):
Marine-HJ (ca. 50.000 Mitglieder)
Motor-HJ (ca. 90.000 Mitglieder)
Fliegereinheit (ca. 74.000 Mitglieder)
Nachrichten-HJ (ca. 29.000 Mitglieder)
1939 bis 1945
Im Laufe des Krieges wurden die Sondereinheiten, wie auch die gesamte Wehrertüchtigung der HJ, erheblich ausgebaut. Die HJ wurde also darauf trainiert, im Kriege an der vordersten Front mitzukämpfen und für ihr Vaterland zu sterben. Die Jugend Deutschlands wurde von Hitler ausgenutzt und zum Teil in den sicheren Tod geschickt.
Am 20. April 1939 wurde die Jugenddienstpflicht eingeführt. Es ist anzumerken, dass die Jugenddienstpflicht vor dem Krieg, also nicht aus der Kriegsnot heraus, entstanden ist. Der Krieg brachte der HJ neue Aufgaben. So mussten die Jungen und Mädchen verschiedene Dienste für die Partei erbringen wie Einsätze für Staat und Kommunen, Luftschutz- und Feuerwehrdienst und die sehr wichtigen Land- und Ernteeinsätze. So waren zum Beispiel 1942 über 600.000 Jungen und 1.400.000 Mädchen im Ernteeinsatz tätig.
Eine der bedeutendsten Aktionen während des Krieges, für die die HJ verantwortlich war, war die so genannte Kinderlandverschickung. Dabei wurden ganze Schulen aus luftkriegsgefährdeten Gebieten in andere Bezirke oder sogar in von Deutschland besetzte Gebiete gebracht. Bis 1944 sollen in solchen Lagern insgesamt 800.000 Jungen und Mädchen erfasst worden sein. Einerseits wurden Kinder und Jugendliche aus luftkriegsgefährdeten Regionen evakuiert, anderseits waren es Kinder und Jugendliche, die andere Kinder aus diesen Gebieten fortbrachten.
Erlass des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe vom 26. Januar 1943:
„Die Schüler der 7. und 6. Klasse der höheren und der 6. Klasse der mittleren Schulen der Geburtsjahrgänge 1926 und 1927 werden zum Kriegshilfseinsatz als Luftwaffenhelfer (Lw-Helfer) herangezogen, sofern sie an ihrem Schulort eingesetzt werden können oder als Heimschüler einer Internatsschule angehören.
Die Luftwaffe übernimmt mit dem Einsatz der Lw-Helfer eine hohe Verantwortung. Die Lw-Helfer sind im rechtlichen Sinne nicht als Soldaten anzusehen. Sie haben auch während des Kriegshilfseinsatzes als Schüler zu gelten. Die jungen Menschen sind stolz darauf, dass sie bereits in noch nicht wehrpflichtigem Alter für den Sieg Deutschlands im Rahmen der Wehrmacht aktiv eingesetzt werden. Diesen Stolz zu vertiefen, die Begeisterung für das Soldatische wach zu halten und zur Wehrfreudigkeit zu steigern, ist die Aufgabe aller Vorgesetzter und Soldaten, die mit Lw-Helfern zusammenarbeiten.“
Zu Beginn des Jahres 1944 wurden auch Angehörige des Geburtsjahrgangs 1928 zum Luftwaffenhelfer-Dienst eingezogen. Luftwaffenhelfer wurden mittlerweile auch in größerer Entfernung von ihrem Heimat- und Schulort eingesetzt, Schulunterricht wurde oft nur noch sehr eingeschränkt erteilt.
Im Verlaufe des Krieges gab es in der HJ zwei Strömungen. Einerseits wurde der Kriegseinsatz vergrößert und die HJ zum Teil sogar in die Kampfhandlungen involviert. Die HJ hatte Osteinsätze, leistete Luftschutzdienst und es wurden HJ-Luftwaffen- und Marinehelfereinheiten aufgestellt. Diese Entwicklung kam auch durch das große Interesse der Jugendlichen zustande, die aufrichtig für ihr Land kämpfen wollten. Dieses Interesse wurde durch die nationalsozialistische Erziehung der Jugendlichen geweckt und gefördert.
Auf der anderen Seite gab es vor allem in den letzten Kriegsjahren immer größeren Unwillen gegenüber der HJ-Dienstpflicht. Es gab passiven und aktiven Widerstand gegen die HJ. Der bekannteste Widerstand gegen die HJ war der der sogenannten Edelweißpiraten und der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Einige Studenten an der Universität in München bildeten um den Philosophen Prof. Kurt Huber die „Weiße Rose“. Diese Gruppe versuchte, mit Flugblattaktionen und Mauerschriften auf die Willkürherrschaft Hitlers aufmerksam zu machen. Dem begegnete die HJ-Führung mit Ausweitung des Jugend-Arrestes, verschärften Kontrollen des Streifendienstes und Zuhilfenahme der Staatsorgane und ihrer Mittel. Im Falle der Organisation „Weiße Rose“ wurde die Spitze dieser Bewegung, unter anderem Sophie Scholl, zum Tode verurteilt.
Nach dem Krieg verschwand die HJ von der Bildfläche. Einige HJ-Führer versuchten, die HJ illegal weiter leben zu lassen, was aber scheiterte.
A. Klönne bringt auf den Punkt, dass die HJ eine Organisation mit einem „perfekt-staatischen Erfassungssystem mit Zwangscharakter, paramilitärischen Organisationsformen und starker Betonung der Wehrertüchtigungsfunktion war. „(…) Im Krieg lag die Funktion der HJ (als eine Art Kriegshilfsorganisation) weitgehend bei der Durchführung von Wehrertüchtigung und Einsätzen an der Heimatfront.
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